Ein Aufsatz aus 2015.
Die Digitale Transformation wird unsere Gesellschaft in den kommenden Jahrzehnten geradezu herausfordern. Sie hält längst Einzug in das Berufsleben und wird unser Verständnis von Bildung und Arbeit langfristig prägen. Auch wenn die Digitalisierung längst gestartet wurde, ist ihr Leistungsvermögen im Bildungsbereich bei Weitem noch nicht ausgeschöpft.
In der Geschäftswelt und dem Privatbereich werden seit Jahren beeindruckende digitale Geschäftsmodelle entwickelt und implementiert. Der Bildungsbereich in Deutschland bleibt weitestgehend unangetastet. Dabei sind gerade hier die Entwicklungsoptionen und ihre Auswirkungen auf die künftigen Berufsbilder derart massiv, dass einerseits nicht nur versäumt wird das enorme Potential des Wissenstransfers zu erkennen, sondern zusätzlich die Auswirkung der Bildung auf bestehende wie neue Berufe und Branchen verkannt wird.
Um den Weg der Digitalisierung vollumfänglich zu beschreiten, bedarf es mehr als der technischen Umsetzung, also dem ersten Schritt im Gesamtprozess. Eine ganzheitliche Ausrichtung, die Aussicht auf einen tiefgreifenden Impact, ist unabdingbar.
Teil I: Status quo
Das Bildungswesen der BRD ist historisch gewachsen und hat sich in den vergangenen Jahrzehnten strukturell lediglich temporär verändert. Die Bildungspolitik ist Hoheitsgebiet der einzelnen Bundesländer. Daraus folgt eine entsprechende Divergenz zwischen den einzelnen Bundesländern in Struktur und Zielen. Zudem agieren die einzelnen Schulen in vielen Aspekten sehr autonom.
Die bundesweite Schulpflicht gibt vor, dass Kinder im Alter von 6 Jahren eingeschult werden. In den ersten 4 Jahren werden die Schüler gemeinsam in der Grundschule unterrichtet, danach teilt das mehrgliedrige Schulsystem in verschiedene weiterführende Schulen auf. Diese sind traditionell Gymnasien, Hauptschulen und Realschulen. Hinzukommen Gesamtschulen, Sekundarschulen, sowie verschiedenste Privatschulen und alternative Schulformen.
Bedingt durch die einheitliche Schulpflicht werden Schüler nahezu immer in Jahrgansklassen organisiert. Dies führt dazu, dass die Schüler in am Lebensalter orientierten Monostrukturen lernen. Heutzutage empfehlen verschiedene Bildungsforscher im Gegensatz dazu, Einschulungstermin und Klassenzusammensetzungen weniger am Lebensalter zu orientieren, als am Entwicklungsstand der Kinder.
Eine der wichtigsten und am meisten diskutierten Aspekte im Bildungsdiskurs sind Klassen- oder Kursgrößen. Wie viel Zeit hat ein Lehrer um sich seinen Schülerinnen und Schülern widmen zu können, wenn angenommen werden muss, dass gewöhnlich 30 Schüler eine Klasse bilden und eine Schulstunde 45 Minuten andauert? Rein rechnerisch gesehen stehen einem Lehrer im besten Fall ca. 1,5 Minuten pro Schüler zur Verfügung. Dies würde aber nur dann gelten, wenn dieser keiner weiteren Aufgabe in dieser Zeit nachgehen müsste. Doch Lehrer zu sein ist immer eine Mehrfachaufgabe. Neben der Wissensvermittlung muss die Anwesenheit geprüft, für Disziplin in der Klasse gesorgt, Hausaufgaben kontrolliert und, neben vielen weiteren Herausforderungen, bei Problemen unter den Schülern vermittelt werden.
Inhaltsverzeichnis
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Wie funktioniert Wissensvermittlung?
Schulen versuchen Lehrstoff in Fächer zu unterteilen. Diese Fächer unterscheiden sich selbstverständlich stark in der Ausprägung des Unterrichtens. Dabei ist das Lernprinzip in fast allen Fächern gleich. Die thematische Einheit beginnt meist indem der Lehrer, vor der Klasse stehend, mündlich in das Thema einführt. Als visuelle Unterstützung schreibt er an oder nutzt selbst gestaltete Tafelbilder. Im Folgenden erarbeiten die Schüler Aufgaben, durch vom Lehrer selbst gestaltete Arbeitsblätter oder durch Aufgaben aus Schulbüchern.
Der dritte Schritt ist die Abfrage des behaltenen Wissens: Tests, Klassenarbeiten und Klausuren. Diese Testungen werden zumeist ausschließlich vom Lehrer erstellt und müssen anschließend auch von ihm selbst, in zeitlich sehr aufwendiger Kleinarbeit, korrigiert werden. Erst in den letzten Jahren formierten sich überschulische Standardsicherungen, wie die zentralen Prüfungen am Ende der Klasse 10 oder den zentralen Klausuren der Sekundarstufe 2.
Die Schwächen
Ein Schüler, der mit ca. 25-30 Mitschülern gleichzeitig unterrichtet wird, kann kaum in seinem individuellen Lerntempo berücksichtigt werden. Einerseits verläuft der Unterricht zu schnell, für eine andere Gruppe wiederum jedoch zu langsam. Auch individuelles Vorwissen kann nicht berücksichtigt werden. Individuellen Wünschen, Themen auszubauen oder weniger zu behandeln, kann nicht entsprochen werden. Der Stundenplan schreibt vor, wann der Lernende für ein bestimmtes Thema Interesse haben muss. Die Zeit um durch Nachfrage Unterstützung vom Lehrer zu erfahren ist knapp und immer zeitlich begrenzt. So auch die Nachfrage beim eigenen Tischnachbarn, die vom Lehrer häufig unterbunden wird.
Anstatt die Potentiale des einzelnen Schülers zu nutzen und ihn sich entfalten zu lassen, werden ihm fremdbestimmte Inhalte diktiert. Dieser Zwang verursacht nur selten ein großes Interesse für den Lernstoff und verhindert dadurch ein permanentes Behalten des Gelernten. Kreativität lässt sich also nicht schulen, aber durch Freiheit entfalten. G8 hat Schülern währenddessen einen erheblichen Nachteil eingebracht: weniger Freizeit und einen volleren Terminkalender als so manch Berufstätiger.
Betrachtet man den Unterricht aus der Perspektive eines Lehrers, so beginnt die Arbeit schon weit vor der Unterrichtsstunde. Der Aufwand für die Vorbereitung ist enorm. Themen richten sich nach Lehrplänen. Das Thema der nächsten Stunde muss didaktisch erschlossen und geplant werden. Materialien und Quellen müssen gesichtet und ausgewählt, Arbeitsblätter erstellt und vervielfältigt werden. Zusätzlich bedürfen Themen zur Umsetzung zwischen den einzelnen Klassen eines Jahrgangs Koordination.
Die Nachbereitung der Stunde nimmt häufig im Gesamtarbeitsvolumen den größten Teil ein. Tests, Klassenarbeiten und Klausuren werden einzeln gesichtet, korri- giert und benotet. Selbiges gilt unregelmäßig für Arbeitsmappen und Hefte. Dabei werden Fehler und Arbeitsverhalten der Schüler analysiert und Rückmeldungen sowie Hilfestellung erarbeitet.
Nachhilfeunterricht
Schüler, die Schwierigkeiten haben, mit den Anforderungen der Schule mitzuhalten, greifen fast immer auf den Nachhilfeunterricht zurück. Im besten Fall auf den durch Freunde, Verwandte oder Studenten organisierte.
Seit einigen Jahrzehnten hat sich jedoch eine professionelle Nachhilfeindustrie etabliert. Nachhilfeinstitute boomen und bieten ihre Dienste für Kleingruppenarbeit und Einzelunterricht an. Auch der Gesetzgeber hat die Unverzichtbarkeit von Nachhilfe erkannt. So beinhaltet das Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung auch den Anspruch auf Lernförderung.
Technische Hilfsmittel
In Schulen stehen immer die Lehrer im Zentrum der Wissensvermittlung. Sie ent- scheiden auch, welche Hilfsmittel sie benutzen um den Schülern das Thema zu präsentieren.
Dafür stehen ihnen traditionell verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, bspw. Tafeln, Projektoren o.ä. In den letzten Jahren wurde diese Palette von Werkzeugen bereits um viele moderne technische Hilfsmittel erweitert. Dennoch werden in Schulen Kreidetafeln statt Bildschirme, Arbeitsblätter statt interaktive Applikationen, Buchrecherchen und Nachschlagewerke statt Suchmaschinen, Taschenrechner statt Smartphones oder Tablets verwendet. Zwar lassen sich in fast allen Schulen mittlerweile technische Hilfsmittel wie Beamer, Smartboards und Computer finden, doch ihr Einsatz erfolgt selten und wenn, dann in dafür gesondert eingerichteten Räumen. Es hängt zumeist vom technikaffinen Verständnis der jeweiligen Lehrkraft ab.
Neue pädagogische Herausforderungen
Lehrkräfte werden durch gesellschaftliche Veränderungen stetig mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Ein Beispiel hierfür ist die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, mit dem Ziel der Inklusion. Waren zuvor in Deutschland Menschen mit Behinderungen in speziellen Förderschulen unterrichtet worden, so ist es nun erklärtes Ziel auch diese Schüler in allgemeinen Schulen zu unterrichten. Daraus ergibt sich, dass die individuellen Anforderungen der einzelnen Schüler an den Lehrer und den Unterricht enorm ansteigen. Die Lehrer stehen vor der Herausforderung ihren Unterricht weiter auszudifferenzieren und zu individualisieren. Um dieser gestiegenen Anforderung nachkommen zu können, vervielfacht sich der Aufwand für die Unterrichtsvorbereitung.
Auch fremdsprachige Schüler, wie bspw. die der europäischen Flüchtlingskrise seit 2015, stellen die Lehrer vor die besondere Aufgabe, Schülern deren Sprache sie nicht sprechen, Wissen zu vermitteln oder allgemein in die Gesellschaft zu integrieren.
Wie kann aber ein Schüler unterrichtet werden, der die Unterrichtssprache nicht versteht und der lateinischen Schrift nicht mächtig ist? Vorteilhaft wären zwar Lehrer, die mit dem Schüler in ihrer Muttersprache kommunizieren könnten. Doch eine derartig große Anzahl von Lehrkräften ist in Deutschland nicht verfügbar. Hierbei kann die Digitalisierung helfen.
Educational Software
Die Idee, Computer im Bildungsbereich zu verwenden, ist nahezu so alt wie der Computer selbst. Spezielle Lernsoftware-Angebote bestehen schon seit den Anfängen der Computertechnik und erlebten ihren Aufschwung mit Aufkommen der Heimcomputer in den 1990er Jahren. Wie mächtig Lernsoftware sein kann, zeigt beispielsweise die Ausbildung von Piloten. Hier sind computergestützte Flugsimulatoren seit Jahrzehnten nicht aus der Ausbildung wegzudenken.
Auch Schulen stehen vielerlei Softwarelösungen zur Auswahl. Angefangen von einfachen Sprach-Tools, über „Classroom Aids“ (Unterricht unterstützende Methoden, wie „Moodle“ oder Whiteboards) und Nachschlagewerke bis zu komplexen Lernspielen. Das Angebot ist vielfältig, breit gedeckt und beliebt. Alleine 2016 wurden weltweit 8,55% aller (Apple) iOS-Apps aus dem Bildungsbereich bezogen.
Dennoch fokussieren sich alle Lösungen auf ihre eigene Insel: sie bieten einen definierten Funktionsumfang eines Teilbereichs der Didaktik. Neben Lern-Apps werden Lehrkräfte durch vielfältige Verwaltungsapplikationen unterstützt, die nicht nur Notendurchschnitte errechnen, sondern Zeugnisse automatisiert ausstellen oder Tests auswerten.
Videoportale, wie z. B. YouTube, bieten ein breitgefächertes Angebot an Tutorials, Anleitungen, Lernvideos, Dokumentationen u.v.m. zur audiovisuellen Bildung. Selbst Professoren und Dozenten stellen Vorlesungen und ganze Seminare (für ihre Studenten) zur freien Verfügung online.
Microsoft geht mit der „Khan Academy“ noch einen großen Schritt weiter in Richtung Digital Education und baut diese zurzeit massiv aus.
Auch Lernspiele sind keine neue Erfindung. Sie helfen beim spielerischen Erlenen (komplexer) Bildungsthemen und geben dem Lernenden durch Belohnungen einen Anreiz weiterzumachen. Schlussendlich sieht sich die Lehrkraft nicht in der Herausforderung ein mangelndes Angebot zu beklagen, sondern all die verfügbaren Quellen zu einem nutzbaren und wertvollen Pool zu konsolidieren. Das ist nicht nur zeitaufwendig, sondern auch fehleranfällig. Eine einheitliche Plattform, ein Fundament fehlt.
Auch der Businessbereich sieht mittlerweile das Potential in digitaler und kollaborativer Bildung und bietet Mitarbeitern Möglichkeiten zur kostenlosen oder kostenreduzierten Weiterbildung an.
Zertifikate
Doch gleich wie viele Videos gesehen, wie viele Apps erforscht und wie viele Bücher gelesen wurden: der neu gewonnene Wissensstand lässt sich nicht nachweisen. Erst durch kostenintensive Zertifizierungen (akkreditierter) Institutionen, an die meist ein Seminar oder eine Schulung vor Ort geknüpft ist, wird die Kenntnis um das Thema bewiesen und akzeptiert.
Teil II: Quo vadis?
Wohin wird die Reise gehen? Wie wird unser Denken und Lernen in Zukunft gestaltet sein? Welche Auswirkungen wird die Bildung auf unsere Lebensbereiche haben? Gewiss ist, dass wir heute an dem Punkt der exponentiellen Entwicklung stehen, die unser Weltbild radikal verändern wird.
Betrachten wir die digitale Transformation als Schlüssel und vor allem als Chance, denn als Gefahr, ergeben sich daraus vielfältige neue Möglichkeiten für unser Bildungssystem. Dabei betrifft der Umbruch nicht nur schulische und akademische Institutionen, viel mehr dehnt er sich auf alle bildenden Maßnahmen aus, so auch die berufliche (Weiter-)Bildung.
Mithilfe der richtigen Methoden und den Werkzeugen des digitalen Kosmos, lassen sich Ziele erreichen, die den klassischen Lehrmethoden bisher verborgen blieben. Auf Entdeckungsreise gehen, das Wissen der Welt abrufen und nutzbar machen, Lernangebote interessant gestalten und Bildung wieder attraktiv machen: die digitale Transformation und „Educational technology“ (EdTech) machen es möglich.
Was ist digitales Lernen?
Digitales Lernen meint die Bereitstellung und Nutzung digital verfügbarer Lernmaterialien. Dazu zählen neben klassischen Büchern, alle im Unterricht oder einer Schulung verwendeten Materialien zur Wissensvermittlung: Arbeits- und Informationsblätter, Flyer, Hefte etc. Das spart Papier ein und schützt die Umwelt. Durch das Internet haben Lehrkräfte und Lernende auch jederzeit und ortsunabhängig Zugriff auf alle bereitgestellten und im Vorfeld geprüften Daten.
Zum Selbsttest oder als Zertifizierung des Wissenstandes, werden Aufgaben, Tests und Klausuren ebenfalls digital absolviert und können so im Bruchteil einer Sekunde ausgewertet werden. Ob Multiple-Choice, Freitext oder Formeln: alles was handschriftlich erfasst werden kann, lässt sich digitalisieren. Das unmittelbare Feed- back ermöglicht dem Lernenden, ohne Zeitverlust von Tagen oder schlimmstenfalls Wochen, Schwächen umgehend zu erkennen und gezielt zu begegnen. Der bürokratische Aufwand wird erheblich reduziert und die Lehrkraft hat viel mehr Zeit, sich den Schülern zu widmen. Die technisch notwendige Ausstattung findet sich in nahezu jedem Haushalt wieder: Laptops, Standrechner, Tablets, Smartphones oder jedes weitere geeignete System.
Digitales Lernen umsetzen
Wie, neben der Umsetzung, digitales Lernen dynamisch und effektiv genutzt werden kann und welche Mittel für seine Implementierung notwendig sind, ist Kernpunkt dieser Story.
Technologische Ausstattung
Die Welt ist vernetzt. Alleine in Deutschland besitzt 60% der Bevölkerung ein Smartphone (95% ein mobiles Endgerät). Mit 84% stationärer und 49% mobiler Internetanbindung ist auch nahezu jeder Haushalt mit dem Internet verbunden. Immer mehr Bildungseinrichtungen rüsten auf und weisen eine brauchbare Ausstattung nach. Es mangelt lediglich an der Frequenz ihres Einsatzes. Die Infrastruktur ist bereits vorhanden und muss lediglich an die gestiegenen Anforderungen angepasst werden. Die künftige Aufgabe der Gesellschaft und der Wirtschaft wird die Erhöhung der Übertragungsgeschwindigkeit bleiben.
Um dem Lernenden dabei den bestmöglichen und standortunabhängigen Zugang zu Wissen und Bildung zu ermöglichen, ist die Ausstattung jedes Anwenders mit einem tragbaren Endgerät (Tablet, Laptop, Hybrid etc.) notwendig. Nahezu jeder Computerhersteller bietet Rabatte für den Bildungsbereich an. Am Beispiel Microsoft, kann mit 10% Rabatt auf Geräte bzw. Hardware und vollständig kostenlosen Kollaborations- und Kommunikationsanwendungen gerechnet werden.
Einfache exemplarische Rechnung für den schulischen Bereich: bei einer Investition von ca. 700 EUR je Schüler und einer Gesamtschülerzahl in Deutschland von 8.300.000, ergibt sich eine einmalige Investition von 5,8 Mrd. EUR, exklusive Internetverbindungs- und Wartungskosten.
Bildungsmaterial digitalisieren
Ohne Inhalte lässt sich natürlich nicht bilden. Ziel muss also sein, alle notwendigen Lehr- und Lernmaterialien zu digitalisieren und über eine zentrale Plattform zur Verfügung zu stellen. Angefangen bei Lehrbüchern, über multimediale Schulungen, bis hin zu Übungsheften und Notizen.
Dabei muss das aufbereitete Material nicht zwingend von einer Lehrkraft verfasst sein. Eltern, Dozenten, Unternehmer, Schüler uvm. können Inhalte erstellen und veröffentlichen. Dieses Prinzip ist nicht neu und wird bereits seit Jahren auf frei verfügbaren Webseiten oder auf Videoportalen umgesetzt, z.B. durch MOOCs (Massive Open Online Courses). Die Macht des Crowdsourcing, das Wissen der Vielen, spielt hier eine entscheidende Rolle. Der erworbene Wissensschatz wäre zentral innerhalb der Plattform für jedermann frei zugänglich. Ein vielfältiges Angebot mit verschiedenen Lehrstilen entsteht. Die Entlastung der Lehrkraft, die Inhalte nicht mehr selbst verfassen muss, sondern sich aus der Plattform zusammenstellen kann, ist enorm. Sie kann sich dann dem widmen, was ihre ureigene Neigung sein müsste: junge Menschen für das Leben vorzubereiten.
Für die Tauglichkeit und Zuverlässigkeit von Fach- und Lehrinhalten im schulischen und akademischen Bereich sorgt ein zentrales Prüfgremium, das dem jeweiligen Bundesland unterstellt ist. In außerschulischen- und hochschulischen Bereichen kann diese Aufgabe von Handels- und Handwerkskammern und/oder den Unternehmen selbst wahrgenommen werden.
Themen, die mehrfach von verschiedenen Autoren bearbeitet werden, können hin- sichtlich ihres Schwierigkeitsgrades bewertet und für unterschiedliche Altersstufen klassifiziert werden. Auf diese Weise wird dasselbe Thema zielgruppengerecht z.B. sowohl für die Sekundarstufe I, als auch für eine Vorlesung oder den Geschäftsbereich aufgearbeitet. Eine Art „FSK“ für die Komplexität des Inhalts.
Wissen kontinuierlich digital zertifizieren
Neben den statischen Lernmaterialien müssen zudem interaktive Umgebungen geschaffen werden. Auch wenn Dokumente, Videos und Sprachaufnahmen hervorragende Wissensvermittler darstellen, kann das erworbene Wissen durch sie nicht bestätigt und Defizite erkannt werden.
Tests, Prüfungen, Klausuren müssen daher ebenfalls digitalisiert und digital abgeschlossen werden können. Wie im Bereich „Was ist Digitales Lernen?“ bereits beschrieben, erfolgt nicht nur die Rückmeldung augenblicklich nach Beenden der Prüfung. Sie gibt dem Prüfling auch Aufschluss und vor allem Gelegenheit die Mängel umgehend zu beseitigen. In Verbindung mit den Maßnahmen aus „Bildungsmaterial digitalisieren“ wird dem Kandidaten direkt weiteres, aber alternatives, Lernmaterial angeboten.
Außerhalb von festen Prüfungsterminen soll der Lernende jederzeit die Option erhalten, seinen Kenntnisstand selbst zu prüfen. Eine Applikation muss in der Lage sein solche Selbsttests dynamisch zu erzeugen und in verschiedenen Formen anzubieten (s. „Computerized adaptive testing“). Ob Multiple-Choice-Abfragen oder spielerisch aufgewertet: beim Erreichen eines Bildungslevels (s. Überschrift „Bildungsindex & berufliche Orientierung“) und Bestehen der digitalen Prüfung, wird der Wissensstand bestätigt und kann als Bescheinigung für Bewerbungs- oder Zulassungszwecke genutzt werden.
Persönlicher Bildungsindex und berufliche Orientierung
Ein Basisbildungsstand bzw. das allgemeine Grundwissen bleiben weiterhin verpflichtend für jeden Schüler, um ein gemeinsames Fundament beizubehalten. Darüber hinaus ist die berufliche Orientierung in Kombination mit dem zu erlernenden Wissen, der zweite relevante Schritt in der Langzeitausrichtung. Das eigentliche Ziel einer umfassenden Bildungslogik, kann letztendlich das Erkennen, Motivieren und Fördern von Talenten und Neigungen sein.
Nach erfolgreichem Absolvieren des Grundlagenwissens erhält der Lernende eine Orientierung, statt einer Benotung. Die Applikation hat bis zur Orientierungsphase den Wissensstand bereits analysiert, Defizite und Stärken erkannt und kann dem Kandidaten vorausschauend ideale Vorschläge für die weitere Entwicklung unterbreiten. Diese Entwicklung mündet immer in einer für die Wirtschaft oder Forschung geeigneten Ausbildung, sei sie akademisch, schulisch oder gewerblich. Zur Inspiration wird, an den Neigungen des Anwenders gemessen, nicht nur ein Vorschlag präsentiert, sondern eine breite Palette an Optionen angeboten und nach Relevanz sortiert. Der Teilnehmer kann jeden Bereich erkunden, sich informieren und, in Verbindung mit den Maßnahmen aus dem Kapitel Bildungsmaterial digitalisieren, tiefe Einblicke durch Interviews und Vorstellungen in den spezifischen Beruf erlangen.
Der Persönliche Bildungsindex beinhaltet nicht nur das Ziel, sondern auch die dafür erforderlichen Steps. Sie definieren die Abschnitte (zum Vergleich: Kurse, aus dem universitären Umfeld) die zur Zielerreichung notwendig sind. Das dafür erforderliche Wissen wird selbstverständlich automatisch bereitgestellt. Daraus resultiert ein auf den Lernenden dynamisch zugeschnittener Lehrplan, mit maximaler Transparenz, direkten Zielen und (zeitlicher) Fortschrittskontrolle. Wie beim „Mastery-Learning“ auch, agieren die Lernenden selbstständig, erhalten jedoch einen Orientierungsrahmen.
Selbst Praktika, Praxissemester oder betriebliche Ausbildungen lassen sich über den Persönlichen Bildungsindex festhalten; die erforderliche Bescheinigung erhält der Kandidat durch seinen Dozenten, Betreuer bzw. Vorgesetzten in der Applikation direkt.
Erworbenes Wissen geht nicht verloren. Sollte es also mal nicht rund laufen, besteht die Möglichkeit nach einer alternativen Orientierung. Da sich ähnelnde Berufe einige Bildungsthemen teilen, wäre eine Ausrichtung hin zu einer anderen Ausbildung denkbar, ohne mit ihr vollständig neu beginnen zu müssen. Mit der kontinuierlichen Fortschrittskontrolle und der damit einhergehenden persönlichen Anerkennung, wird der Teilnehmer dazu motiviert sich höhere Ziele zu stecken. Die Auswirkung seiner Motivation erkennt er umgehend im Persönlichen Bildungsindex (s. Kapitel Persönlicher Bildungsindex und berufliche Orientierung), der sich durch gesichtetes Lernmaterial, abgelegte Prüfungen oder sonstige Bildungsnachweise immer wieder dynamisch neu ausrichtet.
Zwei weitere große Vorteile des Persönlichen Bildungsindexes sind: das selbstbestimmte und eigenständige Lernen, sowie das persönliche Lerntempo. Einerseits können Lernende, die dem Unterricht bisher nicht folgen konnten, jederzeit Lernstoff aufbereiten, bzw. das Lernziel auf diversen Wegen erreichen, andererseits sind Schüler, die dem Lehrplan voraus sind und sich u.U. langweilen, nicht eingeschränkt in ihrem Lernwillen.
Grenzenlose Kollaboration
Lernen fällt leichter, wenn man es gemeinsam in die Hand nimmt. Kollaboratives Lernen durch standortübergreifende Kommunikation macht es erst möglich. Denn nicht nur der Wissenserwerb ist maßgeblich für eine erfolgreiche Bildungslaufbahn, sondern vor allem die dort erlernte Sozialkompetenz. Dabei wird eine Vielzahl von Optionen für einen sozialen Wissenserwerb geboten, die auch sprachenunabhängig genutzt werden können.
Gemeinsam…
- …Projekte gestalten.
Von einer einfachen Schülerzeitung bis zum komplexen wissenschaftlichen Projekt. - …Spiele veranstalten.
Spielerisch neue Themengebiete entdecken, die didaktisch und optisch hochwertig aufbereitet sind. Quizze erstellen, die Wissen steigern und sich auch in familiärer Runde spielen lassen. Das bekannte „Planspiel Börse“ der Sparkasse neu gedacht. - …präsentieren.
Zusammen mit anderen Teilnehmern eine Präsentation erarbeiten und ortsunabhängig vorstellen. Zusätzlich kann diese aufgezeichnet und als Lernmaterial veröffentlicht werden (s. Überschrift „Bildungsmaterial digitalisieren“) - …Lerngruppen bilden.
Schüler, Auszubildende, Studenten uvm. einladen ein Thema in Gemeinschaft zu erarbeiten, sich gegenseitig zu unterstützen und von den Erkenntnissen und dem Wissen der anderen Mitglieder profitieren zu können. - …und zeitlich uneingeschränkt Wissen erwerben.
Mit Familienmitgliedern oder Freunden interessantes Wissen aneignen, sich inspirieren lassen.
Digitale Organisation
Eine zeitaufwendige Hürde für jede Art von Einrichtung stellt die Bürokratie dar. In Schulen werden bei Ausfall einer Lehrkraft Vertretungslehrer gesucht. Stundenpläne müssen aktuell gehalten, Räume verwaltet, Punkte und Noten für Klausuren und Zeugnisse zusammengerechnet werden. In den meisten Fällen also repetitive oder digital abbildbare Aufgaben.
Lebenslanges Lernen
Bildung ist kein Monopol. Das Wissen der Welt sollte jedem Menschen zur Verfügung stehen. Deshalb sollte Lernen keine zeitlich beschränkte Methode zur Wissensgenerierung, sondern ein lebenslanger Begleiter sein. Nicht nur Schüler und Studenten oder Lehrer und Dozenten können partizipieren; jede Person mit einem internetfähigen Endgerät ist in der Lage ihr Wissen zertifiziert und strukturiert zu erweitern.
An Fortbildungen aller Art kann teilgenommen, jedes Studium begonnen werden. Im Gegensatz zum Status quo, müssen keine Lernmaterialien aus unterschiedlichsten Quellen beschafft und nach erster Sichtung bewertet werden. Jeder zum Erwerb des Wissensstandes notwendige Bedarf wird zentral gedeckt. Weder Alter noch Wohnort spielen eine Rolle, lediglich die eigene Motivation.
Erfolgreiche Fallbeispiele
Die Idee, sich der Digitalität für Bildungskonzepte zu bedienen, ist längst erfolgreich erprobt. Drei der zahllosen erfolgreichen Beispiele sollen dies verdeutlichen:
- Die Tacoma Public School (USA) konnte die Schulabschlussrate von 55% auf 82,6% steigern, indem sie Werkzeuge der Business Intelligence verwenden. Neben der Analyse des IST-Zustandes, konnten die Lehrkräfte Prognosen für Schüler ausgeben, die Gefahr liefen, ihren Abschluss nicht zu schaffen 5.
- Nach anfänglichen Startschwierigkeiten konnten sich MOOCs (Massive Open Online Courses) zu einem festen Bestandteil des Studentenlebens etablieren. Alleine die Top 5 MOOCs-Anbieter verzeichneten im Jahr 2016 bereits 53 Millionen Nutzer 6.
- Das Interesse der Wirtschaft an Educational technology (EdTech) ist groß. Alleine im Silicon Valley wurden in den vergangenen Jahren mehr als 2 Mrd. USD in die Anwendungsentwicklung investiert 7.
Teil III: Lernen in Zukunft
Wir blicken einer spannenden Zukunft entgegen. Im Jahr 2025 wird die Applikation mit einem gewaltigen Wissen ausgestattet sein, das universell und verschiedentlich kombiniert einsetzbar ist. Nahezu jeder Schüler, Auszubildender und Student ist mit einem mobilen Endgerät ausgestattet und lernt effektiver.
Die erfolgreiche Ausrichtung und Umsetzung der Digitalität im Bildungsbereich lässt sich erst dann bestätigen, wenn die herrschenden Bildungsstrukturen modernisiert werden.
Die folgenden Entwicklungen sind die logische Konsequenz und Fortsetzung dieses Aufsatzes.
Schule als Wissenshort
Die starre Organisationsstruktur an Schulen ist historisch gewachsen und konnte, mangels Alternativen, nicht optimiert werden. Nun aber sind Jahrgangsklassen und Schulfächer überholt, sie wurden durch den Persönlichen Bildungsindex (s. Kapitel Persönlicher Bildungsindex und berufliche Orientierung) ersetzt. Anstelle derer treten Kurse, Seminare, Kolloquien und Veranstaltungen. Lehrer bieten Kurse an, an denen Schüler frei teilnehmen können. Andere öffnen die Pforten ihres Fachgebiets während der gesamten Schulzeit und stellen die dortigen Innovationen zur freien Verfügung.
Unterricht kann nicht mehr ausfallen, da er in der klassischen Form nicht mehr existiert. Daraus folgt, dass auch Vertretungslehrer nicht mehr benötigt werden.
Schüler verlassen die Schule nicht mehr mit einer wenig aussagenden Benotung, sondern mit ihrem Persönlichen Bildungsindex, der ihr Wissen tatsächlich zertifiziert. Der Numerus clausus, ein Behelf für Kapazitätsengpässe, entfällt. Studenten können Vorlesungen standortunabhängig und live (oder nachgelagert) verfolgen, ohne anwesend sein zu müssen.
Der Lehrcoach
Die klassische Lehrkraft unterrichtet nicht mehr nur den Lernstoff, sondern die Schüler; der Frontalunterricht wird ersetzt durch Coaching und setzt Ziele. Der Coach unterstützt sie beim Lernen, Forschen und Entdecken und kann sich mehr ihrer Entwicklung widmen. Daraus ergeben sich auch Möglichkeiten für eine effizientere Bildung, bspw. durch Ressourcenorientierung: Lernende generieren Wissen durch ungeordnete Informationen, die ihnen der Lehrcoach bereitgestellt hat.
Soft Skills fördern
Die Digitale Transformation und ihre Freiheiten, die sie bspw. durch mobiles und unabhängiges Arbeiten bietet, stellt ihre Nutzer vor neue Herausforderungen. Soft Skills wie Eigenverantwortung, Disziplin, Flexibilität und Eigenschaften, wie dauernde Erreichbarkeit oder digitales Verständnis werden wesentlich. Hier gilt die Förderung durch den Lehrcoach in ebendiesen Eigenschaften, damit der Lernende verantwortungsvoll mit der digitalen Umwelt umgehen kann.