Hand hoch, wenn du gerne besser in seinem Job wärst. Hand hoch, wenn du schon lange eine neue Sprache lernen wolltest. Hand hoch, wenn dir der Weg zu einer neuen Fähigkeit zu lang erscheint und nicht effizient genug abläuft. Das kann sich ändern. Lerne die Kunst des Ultralearnings.
Durch Ultralearning lernst du neue Fähigkeiten in kurzer Zeit, weil du besonders effizient vorgehst. Deswegen ist es anders, als die meisten Lernmethoden, die du kennst.
Warum Ultralearning?
Die Welt ist nicht nur im Wandel, sondern wandelt sich zunehmend schneller. Es werden mehr Dinge schneller entdeckt, als je zuvor. Tendenz steigend. (Think again, Adam Grant). Wir müssen nicht nur schneller unsere Überzeugungen anpassen, sondern auch schneller lernen, um im Job und im Leben mithalten zu können. Wir lernen eben nie aus. Willst du diese Tatsache zu deiner Stärke machen und andere abhängen?
Doch dafür haben wir kaum Zeit und auch nicht lange die Motivation. Wer auf Routinen und Gewohnheiten baut, der kann Motivation gering halten und jeden Tag ein bisschen Vokabeln lernen. Das ist eine gute Lösung. Mit Ultralearning möchte ich dir aber eine andere Art zu lernen auf den Weg geben. Intensiv, kurz und hoffentlich frustrierend.
Der Sinn ist, dass du in kurzer Zeit ein Thema beherrschst, wie es durch routiniertes Lernen nicht möglich ist. Und dass du das Lernen für andere Projekte dramatisch verbesserst.
Wie funktioniert Ultralearning?
Ultralearning findet innerhalb eines zeitlich gesteckten Projektes statt, in dem du dir vornimmst, etwas Neues zu lernen. Das kann Schach, Spanisch, App-Entwicklung oder etwas anderes sein, was du schon immer lernen wolltest oder für den Job brauchst.
Scott Young beschreibt in seinem Buch Ultralearning neun Prinzipien, die dir eine Leitlinie für das Projekt geben:
- Plane dein Lernprojekt
- Arbeite an deinem Fokus
- Sammel sofort praktische Erfahrung
- Greife deine Schwachstellen an
- Lerne dich besser zu erinnern
- Hole früh und schnell Feedback ein
- Vertiefe dein Wissen und baue Intuition auf
Diese sind nicht als Regeln zu verstehen, sondern als Stützhilfe, weil jeder Mensch anders lernt. Die folgenden Prinzipien haben sich aus der Analyse zahlreicher Ultralearnern bewährt – darunter sogar Persönlichkeiten wie Benjamin Button.
Prinzip 1: Recherche, oder: Lerne zu lernen
Dieser Punkt hat mir am meisten Bauchschmerzen bereitet: Bevor ich mich begeistert ins Getümmel schmeiße und schonmal ein paar Vokabeln lerne, sollten wir einen Schritt zurückgehen. Sprich mit Experten, um ein Gefühl für die Fähigkeit zu bekommen, lies dich schlau, um zu erfahren, ob und warum du etwas lernen solltest.
- Was muss ich verstehen?
- Was muss ich auswendig lernen?
- Was muss ich praktisch üben?
Prüfe dabei alle denkbaren Ressourcen für dein Lernprojekt, damit du eine Übersicht bekommst, was für das Thema wichtig ist: Kurse, Uni-Curriculum, Lehrbücher, YouTube-Lehrer, was immer für dich verfügbar ist. Sortiere aus, was nicht zu deinem Ziel passt: Wenn dein Ziel ist, Gespräche auf Chinesisch durchzuführen, musst du keine Zeit mit Schriftzeichen vergeuden. Fünf bis zehn Prozent deiner Projektzeit sollte aus dieser Recherche bestehen.
Prinzip 2: Entwickle Laserfokus
Das richtige Lernmaterial bringt dir nur so viel, wie du dich darauf konzentrieren kannst. Beobachte, wann du prokrastinierst oder bei einer Aufgabe den Fokus verlierst. Dabei ist Fokus wie ein Muskel, je öfter du Ablenkung widerstehst, desto länger hältst du in der Zukunft durch.
Machen wir kurz mal Zen: Bemerke Emotionen wie Frust oder Ärger und erkenne sie an, ohne nach ihnen zu handeln.
Wenn du unangenehme Aufgaben oder Probleme aufschiebst, nimm dir vor, nur für wenige Minuten daran zu arbeiten. Die Angst vor der Aufgabe verschwindet dann oft. Eine aufgeräumte und passende Arbeitsumgebung ist auch ein Schlüsselelement für bessere Arbeit, aber das weißt du spätestens seit du Homeoffice machst.
Mehr über konzentriertes Arbeiten: Cal Newports Buch über Deep Work und sein überragender Blog.
Prinzip 3: Schmeiß dich ins Getümmel
Die richtige Lernstrategie und gutes Material bringen uns nur so viel, wie wir es auch anwenden können. Mache es dir nicht zu lange in der Welt der Theorie gemütlich. Ich weiß es aus Erfahrung: Bücher beißen nicht. Aber das Gute ist: Menschen auch nicht.
Das funktioniert nicht genau so bei allen Fähigkeiten: Programmieren kannst du nicht so gut auf der Straße. Aber du kannst dir direkt vornehmen, eine App zu entwickeln. Oder du nimmst an Hackathons teil. Wenn dein Projekt kein Resultat produziert (bist du sicher?) und du keine Umgebung findest, dann simuliere dir ein Umfeld: Spiele Schach gegen Computer, finde Sprechpartner via iTalki, spiele Gitarre mit einem Backing-Track.
Wir lernen mehr in einer Umgebung, in der wir die Fähigkeit direkt anwenden (müssen). Als ich für ein Jahr in Frankreich gearbeitet habe, habe ich in Monaten mehr gelernt, als in 4 Jahren Schule (und nein, der Lehrer war nicht Schuld).
Prinzip 4: Sei erbarmungslos mit Schwachstellen
Die meisten Fähigkeiten bestehen aus verschiedenen Elementen. Bei Fremdsprachen finden sie gleichzeitig statt, bei manchen werden sie in zeitlicher Abfolge durchgeführt.
Finde heraus, welche Komponenten erforderlich sind, um deine Fähigkeit zu meistern und welche davon am wichtigsten sind, um schnellere Ergebnisse zu erzielen. Achte auch auf deine eigenen Schwachstellen und merze sie aus, wenn sie wichtig für den Lernerfolg sind.
Greife sie mit Drills an. Du trainierst diese einzelnen Elemente, bevor du sie in einem ganzheitlichen, direkten Ansatz wieder verwendest. Wichtig ist, dass du mit diesen Drills experimentierst, Erfolge nachvollziehst und nachjustierst.
Wechsel zwischen Drills und dem direkten ganzheitlichen Lernen aus Prinzip 3.
Ultralearning Prinzip 5 und 7: Zwinge dich, dich zu erinnern
Unser Gehirn ist wie ein voller Wassertank: Alles, was oben liegt, fließt schnell heraus. Das Wasser tief unten wird nicht so schnell weg fließen.
Es ist oft bequemer, ein Buch nach dem anderen zu lesen, als dich selbst abzufragen. Aber der Selbst-Test hat Vorteile: Du zwingst dich, Wissen aktiv zurückzuholen und behältst es damit länger im Kopf. Wenn du dir Notizen in einer Vorlesung oder im Buch machst, schreibe dir lieber Fragen auf, die du später versuchst zu beantworten. Für besonders Harte: Suche nach Möglichkeiten, dich zu testen, bevor du etwas lernst oder stelle Hypothesen auf und prüfe sie später. Dann liest du aufmerksamer.
Dieses Testen kann anstrengend und frustrierend sein, aber sie stärken das Verständnis und die Erinnerung.
Tests bestehst du nur, wenn du dir das Gelernte merken kannst. Tests sind eine Methode, um deine Erinnerung an Wissen zu verbessern.
Für Sprachen- und Faktenlerner gibt es den Mega-Tipp: Nutze Anki, ein kostenloses Tool für digitale Karteikarten, das Spaced-Repetition anwendet.
Was ist Spaced-Repetition?
Spaced Repetition ist eine Art des Lernens durch aktives Erinnern, verteilt auf mehrere Lernsitzungen. Einfach ausgedrückt: Dein Gehirn lernt am besten, wenn es gezwungen wird, sich die richtige Antwort zu merken. Lernen mit Karteikarten ist wie dafür gemacht.
Aktives Erinnern unterscheidet sich von passivem Wiederholen. Passives Lernen ist zum Beispiel: Markieren eines Lehrbuchs, Anschauen von Lehrvideos oder das Überfliegen eines Multiple-Choice-Tests. Trau deinem Gehirn mehr zu und du wirst es dir danken (und merken).
Wende Spaced-Repetition an, wann immer es möglich ist und lerne wichtige Prozesse in- und auswendig, damit du eine gute Grundlage für später hast.
Prinzip 6: Hole dir früh und oft Feedback
Das Feedback kann konstruktiv, schädlich oder nutzlos sein. Daher ist es wichtig, auf verschiedene Arten von Feedback zu achten und zu lernen, mit allen zu arbeiten. Alle Rückmeldungen haben ihre Vorzüge, je nach Lernphase und Zugänglichkeit. Unerwünschte Rückmeldungen solltest du erkennen und ignorieren.
Letztendlich hängt es von uns ab, was wir mit dem Feedback machen: Wir müssen das Feedback nicht persönlich nehmen und damit arbeiten, um uns zu verbessern. Da wir unsere Motivation nicht immer kontrollieren können, sollten wir nach Situationen suchen, die die Motivation aufrechterhalten, aber konstruktives Feedback geben. Vermeide also Situationen, in denen du dich nur schlecht oder gut fühlst. Hole dir frühzeitig Feedback und verarbeite es, ohne es persönlich zu nehmen.
- Output-Feedback: Du weißt, ob es gut oder schlecht war, ohne genau zu wissen, was
- informatives Feedback: Du weißt, wo es gut oder schlecht ist, ohne zu erfahren, wie du es verbessern kannst
- korrigierendes Feedback, das du von Trainern, Experten und Karteikarten bekommst
Prinzip 8: Strebe immer ein tiefes Verständnis an
Intuition ist das, was Experten und Anfänger unterscheidet. Und sie basiert auf praktischer Erfahrung, aus denen wir Prinzipien ableiten, die wir im Laufe der Zeit entwickelt aufgebaut haben.
Leider reicht es reicht nicht aus, Dinge einfach nur oft und lange zu tun. Viele machen den Fehler, Erfahrung mit Kompetenz zu verwechseln.
Um das zu vermeiden, grabe immer ein wenig tiefer, als dir lieb ist. Damit stellst du sicher, dass alles verstanden wird. Wir müssen schwierige Probleme durchbrechen, auch wenn sie frustrierend sind. Alles, was wir konsumieren, müssen wir überprüfen, indem wir es erklären oder aufschreiben. Viele Fragen zu stellen, auch wenn sie einfach erscheinen, ist ebenfalls wichtig. Erfahre in diesem Artikel von mir, wie du besser liest und verstehst.
Die vier Regeln nach Scott Young:
- Gib bei schwierigen Problemen nicht einfach auf
- Es gibt eine einfache Möglichkeit zu überprüfen, ob man ein Thema verstanden hat: Indem man es aufschreibt oder es wie für jemand anderen erklärt. Auch dies kann eine Taktik sein, um ein Thema zu verstehen
- Finde konkrete Beispiele für alles, was du lernst
- Habe keine Angst, grundlegende und viele Fragen zu stellen, um sicherzugehen, dass du alles verstanden hast
Mein persönlicher Tipp um die Intuition zu stärken: Finde spielerische Arten, dein Wissen anzuwenden oder mit anderen Wissensgebieten und Fähigkeiten zu kombinieren. Suche Verbindungen zwischen verschiedenen Wissensgebieten.
Prinzip 9: Experimentiere
Am Anfang des Lernens ist es hilfreich, sich auf Kurse zu stützen, einem Curriculum zu folgen und bewährte Methoden zu verwenden. Aber Lernen ist ein sehr individueller Prozess, spätestens sobald du die Grundlagen von etwas beherrschst. Um herauszufinden, welcher Ansatz, welche Methode, welche Umgebung oder welcher Stil am besten für dich funktioniert, solltest du experimentieren und die eigene Komfortzone verlassen.
Es geht auch ohne Ultralearning
Wer Ultralearning zu einem Projekt macht, der wird durch Höhen und Tiefen gehen: Es ist intensiv und zwingt dich, deine Komfortzone zu verlassen. Doch es gibt gute Nachrichten: Wer es durchzieht, der nimmt Learnings für das nächste Projekt mit. Du lernst dich und dein Lernverhalten stetig kennen und wirst immer besser. Außerdem sind die Prinzipien für das Lernen universell und du kannst sie für dein Lernen anwenden, ohne ein Ultralearning-Projekt daraus zu machen.