Ziele sind super.
Sie treiben dich an, geben dir eine Richtung für deine Bemühungen.
Was aber, wenn ich dir sage, dass Ziele dich ausbremsen und unglücklich machen können?
Lass es mich erklären.
Das Problem mit externen Zielen
Der griechische Philosoph Epiktet sagt: alles, was extern ist, unterliegt nicht deiner vollen Kontrolle. Das Einzige, was in deiner Kraft liegt, ist deine Geisteshaltung und deine Art und Weise, wie du auf Ereignisse reagierst.
Jeder, der glaubt, dass er mehr Kontrolle über die Dinge hat, über die er eigentlich keine oder wenig Kontrolle hat, schafft sich sein eigenes Unglück.
Wenn du an einem Wettbewerb teilnimmst, dann ist dein Ziel vermutlich, zu gewinnen. Damit bist du nicht alleine. Allerdings hast du nicht die Kontrolle darüber, ob du gewinnst oder nicht.
Ja, du hast eine gewisse Kontrolle darüber, wie hart du trainierst und damit kannst du die Wahrscheinlichkeit eines Sieges erhöhen. Aber du weißt so gut wie ich, dass auch das letztendlich keine Garantie für einen Sieg ist.
Ich habe unzählige Male in meinem Leben verloren, obwohl ich mein Bestes gegeben habe.
Das ist allerdings kein Grund, den Kopf hängenzulassen. Die Frage ist nicht, ob wir gewinnen oder verlieren, sondern mit welcher Geisteshaltung wir in den Wettbewerb gehen.
Anstatt zu sagen: „Mein Ziel ist es, das Spiel zu gewinnen.“
Versuche es mit: „Mein Ziel ist es, beim Spiel mein Bestes zu geben.“
Oder aufs Training bezogen: „Mein Ziel ist es, so hart ich kann zu trainieren.“
Würdest du sagen, dass du andere Resultate erzielst, mit Zielen wie diesen? Ich glaube, deine Chancen zu gewissen stehen damit genauso gut, vielleicht sogar besser. Wie du deinen Trainingserfolg trotzdem steigerst, darüber sprechen wir in einer Minute, bleib bitte noch kurz dran.
Wenn du das Ziel hast, zu gewinnen und du in den Rückstand kommst, verlierst du vielleicht die Nerven. Immerhin ist dein Ziel in Gefahr. Doch wenn du dein Bestes geben willst, spielt das Ergebnis keine Rolle und dein Fokus ist auf das Spiel gerichtet.
Dazu ein Zitat von Bill Walsh, ein bekannter ehemaliger NFL-Coach: „The score takes care of itself.“
Die Punktzahl kümmert sich um sich selbst. Kümmere dich nicht um deinen Sieg, sondern um deine Performance.
Ziele sind problematisch
Bleiben wir bei dem Wettbewerb. Wenn dein Ziel ist, zu gewinnen, dann besteht die Chance, dass du dein Ziel nicht erreichst.
James Clear schreibt in seinem Buch Atomic Habits, dass Ziele problematisch sind, weil Gewinner und Verlierer dasselbe Ziel haben. Bei einem Wettbewerb gewinnen zu wollen, ist kein Unterscheidungsfaktor, ob du gewinnst oder nicht. Er nennt das Beispiel des britischen Radsport-Teams, die nach über hundert Jahren endlich auf der Gewinnerseite waren. Plötzlich gewannen sie die Tour de France und brachen Rekorde im Radsport. Statt auf Ziele (denn die sind im Wettbewerb sowieso immer gleich) setzten sie auf etwas anderes. Dazu gleich mehr.
Außerdem können Ziele dich langfristig daran hindern, dich weiterzuentwickeln. Hast du schon mal probiert Gewicht zu verlieren und bist nach dem Wunschgewicht wieder zurück in alte Gewohnheiten gefallen?
James Clear nennt weitere Argumente, warum Ziele problematisch sind:
Das Erreichen eines Ziels ist nur vorübergehend
Oft brauchen wir einen Motivationsschub, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, aber wenn wir unser Verhalten nicht ändern, landen wir wieder in der gleichen Situation und verlassen uns auf die Motivation, um das Ziel zu erreichen (zum Beispiel das Zimmer aufräumen).
Ziele schränken unser Glück ein
Nach einem Sieg stellt sich die Euphorie ein: Wenn wir ein Ziel erreicht haben, sind wir kurze Zeit glücklich, doch dann wollen wir die nächste Sache erreichen.
Das gewünschte Erlebnis liegt dabei meistens in der Zukunft.
Ziele schränken uns auch in einer Weise ein, dass unsere Zufriedenheit davon abhängt, ob wir das Ziel erreichen oder nicht. Die Ausnahme hier sind interne Ziele wie dein Bestes zu geben, von denen ich dir bereits erzählt habe.
Ziele können deinen Fortschritt auf lange Sicht ausbremsen
Viele Menschen arbeiten hart auf ein Ziel hin, bis sie es erreicht haben. Dann fallen viele in alte Gewohnheiten zurück. James Clear vergleicht das mit dem Jo-Jo-Effekt.
Was ist mit langfristigen Zielen?
Ein Problem bei langfristigen Zielen ist, dass wir lange auf etwas hinarbeiten müssen und dabei vergessen können, die Arbeit in der Gegenwart zu genießen. Wenn du durch langfristige Ziele motiviert bleibst und dir der Weg dorthin Freude bereitet, dann ist das fein. Aber was passiert, wenn das Ziel erreicht ist?
Verliebe dich in den Prozess
Okay, Ziele sind also gar nicht so prall, wie wir immer denken. Sprechen wir über etwas, das dir wirklich dabei hilft, besser zu werden. Ein Ziel wie „Ich möchte besser in Spanisch werden.“ kann dir eine grobe Richtung geben, aber das Ziel selbst hilft dir nicht beim Lernen. Was dich weiterbringt, ist der Lernprozess, den du für dich festlegst und verfolgst.
Die britischen Radsportler änderten nicht ihr Ziel, um erfolgreicher zu sein. Stattdessen optimierten sie den Trainingsprozess. Sie machten winzige Veränderungen in vielen Abläufen, vom Training selbst bis hin zur Wartung der Fahrzeuge. Kleine Optimierungen, die kaum auffielen, häuften sich zu einem sichtbaren Erfolg an.
Als Musiker wäre mein System ein Song zu lernen, wie folgt: Ich schaue mir ein Lied an, das ich lernen will, unterteile es in verschiedene Bereiche, die ich einzeln lerne, um sie später als ganzes Stück zusammenzuspielen. Das wäre ein System. Erfahre in diesem Artikel von mir mehr darüber, wie du ein extrem effizientes Lern-System aufbaust.
Wenn du dir also ein Ziel setzt, dann setze dir lieber das Ziel, deine Trainingsmethoden oder dein Lernsystem zu optimieren.
Möchtest du dich langfristig weiterentwickeln oder nur für ein paar Monate?
Falls du für „langfristig“ gestimmt hast: Super, dann weißt du mittlerweile, dass dich Ziele nicht für einen langfristigen Erfolg weiterbringen, aber dafür Systeme, mit denen du übers Ziel hinausschießt. Um dem System Leben einzuhauchen, musst du Gewohnheiten entwickeln, die dieses System unterstützen.
Statt zu sagen: Bis zum Wettbewerb trainiere ich siebenmal die Woche.
Sei lieber spezifischer und baue auf ein System, das den Wettbewerb überdauert: „Jeden Montag, Mittwoch und Freitag trainiere ich direkt nach der Arbeit.“
Wenn ich beim Gitarre spielen festgelegt habe, wie ich lerne, dann ist auch hier die nächste Frage, wann und wie oft. Mit hilft es dabei, das Üben mit einer anderen Gewohnheit zu verknüpfen.
Immer, wenn ich vom Sport nach Hause komme, nehme ich die Gitarre in die Hand.
Um mangelnde Motivation vorzubeugen, nehme ich mir dazu immer nur vor, für ein paar Minuten zu spielen. Oft spiele ich aber für die volle Übungszeit.
Falls du mehr darüber wissen möchtest, wie du dir kinderleicht neue und gesunde Gewohnheiten aufbauen kannst, dann lies dir diesen Artikel dazu durch.
Takeaways
Ziele können für den kurzfristigen Erfolg helfen und für einmalige Euphorieschübe, wenn wir es erreichen. Sie eignen sich aber nicht für lebenslanges Lernen. Am besten sind interne Ziele, weil du am meisten Kontrolle über deine innere Haltung hast. Wenn du dich langfristig weiterentwickeln willst, arbeite lieber auf ein System.
Verliebe dich in den Prozess.
Falls du dir Ziele steckst, dann stecke dir clevere Ziele:
- jene, die auf deine eigene Leistung und geistige Haltung abzielen, aber nicht auf Sieg oder Niederlage
- solche, die auf die Verbesserung deines Lernsystems abzielen
Referenzen
Atomic Habits (James Clear)
A Guide To The Good Life (William Braxton Irvine)
Ultralearning (Scott Young)
The Handbook (Epictetus)